Peter Reinhardt ist als Sinto in Stuttgart aufgewachsen. Er hat in seiner Familie schon früh die Rolle des Archivars, des Bewahrers der Familiengeschichte eingenommen. Weil er als Kind aufmerksam zuhörte und neugierig war, wenn die Alten erzählten und sich Geschichten gut merken konnte, weiß er um die Erlebnisse der Sinti vor und nach dem Krieg in Stuttgart.
Doch auch selbst hat er eigene, erschreckende Erfahrungen gemacht, die Zeugnis davon geben, wie die Ausgrenzung und Unterdrückung von Sinti und Roma in Deutschland in der Gesellschaft, unterstützt von den Behörden, weiter ging.
Bei Spaziergängen mit Stephan Janker und Mitgliedern der Zukunftswerkstatt Zuffenhausen zu den Orten seiner Kindheit und Jugend berichtet er von seinen Erlebnissen als Sinto in Stuttgart: In der Schule, bei der Polizei, bei Behördengängen oder einfach im Alltag.
Und Peter Reinhardt überliefert als begnadeter Erzähler die Berichte jener, die Ghetto und Lager erlebten, gibt denen ein Gesicht und eine Geschichte, die ansonsten hinter den Opferzahlen des 3. Reichs verborgen blieben und schildert eine bis dato kaum bekannte Seite der Stuttgart Geschichte.
Der Film „ERINNERT – Geschichten der Stuttgarter Sinti und Roma erzählt von Peter Reinhardt“ besteht aus 12 einzelnen Episoden und einer Einführung mit einer Länge von 110 Minuten.
Das Material wird durch ein Glossar ergänzt, dass die Begriffe, Namen und Orte weiter erläutert und ergänzt, das als Text-Ebene direkt aus dem Film heraus anklickbar ist.
Die interaktiven Videos sind einzeln bei www.erinnert.org abrufbar, ebenso das komplette Glossar, welches als pdf vorliegt. Schulen und Bildungseinrichtungen sind herzlich willkommen, diese fesselnde oral history kostenlos für ihren Unterricht zu nutzen und Geschichte als Teil unserer eigenen Gesellschaft und dieses Ortes zu erkennen.
„Zu meiner Person: Ich, Peter Reinhardt , bin am 28.02.1951 in Stuttgart Bad Cannstatt als jüngstes Kind von 3 Kindern zur Welt gekommen. Meine Eltern waren Maria und Anton Reinhardt. Aufgewachsen bin ich in Stuttgart Zuffenhausen in der Keltersiedlung, an jenem Ort, der auch Zigeunerinsel genannt wurde Mit einer kurzen Unterbrechung bin ich bis zum heutigen Tag in Stuttgart Zuffenhausen wohnhaft.
Die Familie und die Verwandtschaftsverhältnisse sind bei meinen Leuten, den Sinti in Deutschland, etwas elementar Wichtiges. Es gab immer Leute unter uns, welche die Familiengeschichte, die Verwandtschaftsverhältnisse und die gemeinsame Geschichte einer Familie weiter gaben. In meiner Familie habe wohl ich dies aus frühem Interesse an unserer Geschichte übernommen. So kam dieses Projekt nach den Begegnungen mit vielen guten und engagierten Menschen zustande.“
Peter Reinhardt
Inge Möller zur Entstehung des Projektes:
Mein Mann und ich lernten Peter in den 90er Jahren kennen. Wir wohnten am Rand des Kelterviertels in der Hohenloherstraße. Unser Grundstück grenzte an eine Flüchtlingsunterkunft mit mehreren Roma-Familien, gegen die andere Nachbarn mobil machten. Wir verteidigten die Flüchtlinge und machten eine Unterschriftensammlung für ihren Verbleib. Auf den sehr persönlichen Brief meines Mannes, den er im ganzen Viertel verteilte, erhielten wir ein liebenswertes Briefchen von Peter. Das war der Anfang unserer Freudschaft.
Als wir dann 2006 die ersten Stolpersteine für eine Sinti-Familie, die Familie August Reinhardt in den Pliensäckern verlegten (nicht verwandt mit Peter Reinhardt), half uns Peter, der eine einflussreiche Persönlichkeit in der Sinti-Gemeinschaft ist, Kontakt zu den in Zuffenhausen wohnenden Sinti zu bekommen. So lernten wir auch die Familie Graf kennen, die (damals noch unter dem Namen Zigeli Winter Quartett bekannt) bei der Stolperstein-Verlegung spielten. Dieses Ereignis fand große Beachtung, es kamen neben Daniel Strauß auch andere Vertreter des Landesverbandes Baden-Württemberg der Deutschen Sinti und Roma. Bei dieser Veranstaltung kam erstmals der Gedanke auf, einen Film mit Peter über die Sintis in Stuttgart und Zuffenhausen zu machen und deren Geschichte festzuhalten.
Zunächst machten wir einen Rundgang durch das Kelterviertel am Feuerbach entlang, der dort unterirdisch verläuft bis zur Hofäckerstraße, wo früher jener Omnibus stand, der Peter als Kind so fasziniert hatte: Ein Bus, in dem ein Verwandter wohnte, und in dem er Busfahrer spielen durfte.Bei einer späteren Tour besuchten wir die Pliensäckerstraße in Stuttgart-Rot, die alte Zuckerfabrik in Bad Cannstatt, in der Sinti Zwangsarbeit leisten mussten und das gebiet des ehemaligen Sinti Ghettos am Rande des Hallschlags. An all diesen Orten erwies sich Peter als faszinierender Erzähler und profunder Kenner dieser Geschichte. Wir freuen uns, dass diese Gespräche nach 15 Jahren eine breite Öffentlichkeit erreichen.
Beteiligte und Projektdaten:
„ERINNERT – Geschichten der Stuttgarter Sinti und Roma erzählt von Peter Reinhardt“
Peter Reinhardt im Gespräch mit Stephan Janker, Inge und Diethard Möller, Maria Reif, Jennifer Lauxmann-Stöhr , Anderas Schairer, Elke Martin
Initiator des Projekts: Harald Stingele
Kamera und Schnitt: Uwe Kassai
Ton: Karim Ouanes
Grafik und Layout: Jan Roth
Programmierung und Illustrationen: Friedemann Theilacker
Stills/Fotos: Uwe Kassai
Produktion: Stadtjugendrung Stuttgart (Friederike Hartl) und Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.
Glossar und Begleittexte: Prof. Wolf Ritscher, Elke Martin, Inge Moeller